Stomatitis
Stomatitis ist ein Sammelbegriff für Entzündungen der Mundschleimhaut. Damit gemeint sind Reizungen, Rötungen, Schwellungen und schmerzhafte Veränderungen an Wangeninnenseiten, Lippen, Zunge, Gaumen und Zahnfleisch. Der Begriff beschreibt zunächst nur den Zustand, nicht die Ursache. Eine Stomatitis kann harmlos und kurzzeitig sein, aber auch Ausdruck einer Infektion, einer Allergie, eines Nährstoffmangels oder einer allgemeinen Erkrankung. Häufige Formen sind die aphthöse Stomatitis (Aften), die herpetische Gingivostomatitis (durch Herpes-simplex-Viren), die prothetische oder Candida-assoziierte Stomatitis bei Zahnprothesenträgern sowie Kontaktstomatitiden nach Reizstoffen wie scharfen Speisen oder bestimmten Zahnpasten.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen sind vielfältig. Infektiöse Auslöser sind häufig: Viren wie Herpes-simplex-Virus Typ 1 verursachen bei Erstinfektion besonders bei Kindern eine ausgeprägte, schmerzhafte Entzündung mit Fieber und geschwollenem Zahnfleisch; später treten eher Lippenherpes oder gelegentliche Mundgeschwüre auf. Enteroviren (z. B. Coxsackie-Viren) führen zu Hand-Fuß-Mund-Krankheit mit Bläschen im Mund und an Händen und Füßen. Pilzinfektionen, vor allem durch Candida albicans, verursachen abstreifbare, weißliche Beläge (Mundsoor), besonders bei Babys, älteren Menschen, Prothesenträgern, nach Antibiotika oder bei trockener Mundschleimhaut. Bakterielle Ursachen sind seltener primär, können aber auf vorgeschädigter Schleimhaut zu Superinfektionen führen.
Nichtinfektiöse Ursachen sind mechanische oder chemische Reize, etwa scharfe Kanten an Zähnen oder Füllungen, schlecht sitzende Prothesen, heiße Speisen, Alkohol, Tabak oder Inhaltsstoffe in Mundspüllösungen und Zahnpasten (zum Beispiel Natriumlaurylsulfat). Allergische Kontaktreaktionen auf Metalle, Kunststoffe, Acrylate, Zementbestandteile oder Aromen sind möglich. Nährstoffmängel, vor allem an Eisen, Vitamin B12 oder Folsäure, begünstigen wiederkehrende Schleimhautläsionen. Autoimmunerkrankungen wie oraler Lichen planus, Pemphigoid oder Pemphigus können chronische Schleimhautveränderungen auslösen. Systemische Erkrankungen wie Zöliakie, Morbus Crohn oder Morbus Behçet gehen mit wiederkehrenden schmerzhaften Ulzerationen einher. Eine ausgeprägte Schleimhautentzündung (Mukositis) tritt häufig im Rahmen von Chemo- und Strahlentherapie auf. Trockener Mund (Xerostomie) durch Medikamente, Sjögren-Syndrom, Dehydrierung oder Mundatmung erhöht das Risiko. Stress, Schlafmangel und Hormonumstellungen werden als Verstärker bei Aften diskutiert.
Symptome
Typische Beschwerden sind Brennen, Schmerz und Berührungsempfindlichkeit der Schleimhaut, gerötete Areale, Schwellung und kleine bis größere Defekte (Ulzera). Aften sind meist rundliche, gelblich belegte, scharf begrenzte Geschwüre mit rotem Rand, die vor allem an beweglicher Schleimhaut (Wange, Lippen, Zungenunterseite) auftreten. Herpetische Stomatitis beginnt oft mit Fieber, Unwohlsein und schmerzhaften Bläschen, die zu flächigen Erosionen aufreißen; das Zahnfleisch ist gerötet und blutet leicht. Bei Candida zeigen sich abstreifbare, weiße Beläge, darunter eine gerötete, teils blutende Schleimhaut; brennende Zunge und Mundwinkelrhagaden (Einrisse) können hinzukommen. Kontaktstomatitiden äußern sich als diffuse Rötung, Brennen oder raue, teils weiße Areale nach Exposition. Allgemein können Mundgeruch, verminderter Appetit, Schluckbeschwerden, vermehrter Speichelfluss oder, umgekehrt, Mundtrockenheit auftreten. Bei Kindern fällt oft vermehrtes Sabbern und Trinkverweigerung auf. Fieber, Abgeschlagenheit und geschwollene Lymphknoten sprechen eher für infektiöse Ursachen.
Diagnose
Die Diagnose beginnt mit der genauen Erhebung der Krankengeschichte: Dauer, Häufigkeit, Auslöser, Begleitsymptome, neue Zahnpflegeprodukte oder Prothesen, Medikamente, Allgemeinerkrankungen und Lebensumstände. Die klinische Untersuchung erfasst Ausdehnung, Art der Läsionen (Bläschen, Ulzera, Beläge), Lokalisation und den Zustand von Zähnen, Füllungen, Prothesen und Zahnfleisch. Je nach Verdacht können Abstriche zur Pilzdiagnostik, virale PCR (z. B. bei unklaren Bläschen), Bakterienkulturen bei schweren Verläufen oder Blutuntersuchungen (Eisen, Ferritin, Vitamin B12, Folsäure, Blutzucker, Entzündungswerte) sinnvoll sein. Persistierende oder atypische Läsionen, die länger als zwei Wochen bestehen, erosive oder vernarbende Veränderungen sowie unklare weiße oder rote Areale sollten gegebenenfalls durch eine Biopsie abgeklärt werden, um Autoimmunerkrankungen oder seltene Vorstufen von Schleimhauterkrankungen nicht zu übersehen. Bei Verdacht auf Allergie kommen Epikutantests in Betracht.
Behandlung
Die Therapie richtet sich nach der Ursache und zielt auf Schmerzlinderung, Entzündungshemmung, Infektionskontrolle und Förderung der Heilung. Allgemeine Maßnahmen, die oft sofort helfen, sind eine gute, aber schonende Mundhygiene mit weicher Zahnbürste, alkoholfreie Mundspüllösungen, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und das Meiden stark würziger, saurer, sehr heißer sowie harter Speisen. Kühlende Speisen und Getränke, zuckerfreie Eiswürfel oder Eiswasser können Beschwerden lindern. Sogenannte Schutz- und Haftgele mit Hyaluronsäure, Pektin oder Sucralfat bilden einen Film über Ulzera und reduzieren Reibungsschmerz. Topische Lokalanästhetika (zum Beispiel Lidocain-Gele oder Spüllösungen) können kurzfristig betäuben, sollten aber streng nach Anleitung angewendet werden.
Bei aphthöser Stomatitis helfen häufig topische Kortikosteroide in Haftsalben oder Sprays (z. B. Triamcinolon oder Clobetasol in geringer Dosis) direkt auf die Läsionen, am besten frühzeitig bei den ersten Zeichen (Kribbeln, Brennen). Antiseptische Mundspüllösungen mit Chlorhexidin können kurzzeitig eingesetzt werden, um Keimlast zu reduzieren und Sekundärinfektionen vorzubeugen; sie sollten wegen möglicher Verfärbungen und Geschmacksstörungen zeitlich begrenzt verwendet werden. Bei häufigen, sehr schmerzhaften Aften können je nach Befund systemische Maßnahmen wie Colchicin oder eine kurzfristige systemische Kortikosteroidtherapie erwogen werden; das gehört in die Hände erfahrener Behandler und setzt das Ausschließen anderer Ursachen voraus. Liegt ein Mangel an Eisen, Vitamin B12 oder Folsäure vor, ist dessen gezielte Substitution wichtig und oft nachhaltig wirksam.
Bei herpetischer Gingivostomatitis sind Schmerztherapie, ausreichendes Trinken und weiche Kost zentral. Eine antivirale Behandlung mit Aciclovir (oder Valaciclovir) kann besonders bei frühem Beginn, schwerem Verlauf oder immungeschwächten Personen den Verlauf verkürzen. Lippenpflege und Vermeiden enger Kontakte, insbesondere zu Neugeborenen und immunsupprimierten Menschen, sind während der aktiven Phase wichtig, da die Infektion ansteckend ist. Antibiotika sind bei Stomatitis nur angezeigt, wenn eine klare bakterielle Infektion vorliegt oder sich eine ausgeprägte Superinfektion entwickelt hat.
Bei Candida-Stomatitis werden lokale Antimykotika eingesetzt, zum Beispiel Nystatin als Suspension, Amphotericin-B-Lutschtabletten oder Miconazol-Gele. Bei Prothesenträgern ist es entscheidend, die Prothese nachts herauszunehmen, gründlich zu reinigen und gegebenenfalls mit geeigneten Lösungen zu desinfizieren; gelegentlich ist eine Unterfütterung oder Neuanfertigung notwendig, um Druckstellen zu vermeiden. Bei ausgeprägter Xerostomie helfen Speichelersatzmittel, zuckerfreie Kaugummis, reichliches Trinken und, wenn möglich, die Anpassung trocknender Medikamente nach ärztlicher Rücksprache.
Kontakt- und irritative Stomatitiden bessern sich nach Beseitigung des Auslösers. SLS-freie Zahnpasten, alkoholfreie Mundspülungen und die Korrektur scharfer Kanten an Zähnen oder Restaurationen sind einfache, wirksame Schritte. Chronisch entzündliche Schleimhauterkrankungen wie oraler Lichen planus werden meist mit topischen hochpotenten Kortikosteroiden, gegebenenfalls Calcineurin-Inhibitoren, behandelt und bedürfen regelmäßiger Kontrollen. Mukositiden während onkologischer Therapien werden multiprofessionell betreut; schmerzstillende Spüllösungen, streng gute Mundhygiene, angepasste Ernährung, Kryotherapie (Eislutschen während bestimmter Chemotherapien) und manchmal spezielle Wachstumsfaktoren kommen zum Einsatz.
Nachsorge
Auch nach Abklingen der akuten Beschwerden ist Nachsorge sinnvoll. Bei wiederkehrenden Episoden lohnt es sich, persönliche Auslöser zu identifizieren, etwa bestimmte Lebensmittel, Stressphasen oder Zahnpflegeprodukte. Prothesen sollten regelmäßig kontrolliert, gereinigt und gegebenenfalls angepasst werden. Nach herpetischen Episoden ist es ratsam, die Zahnbürste zu wechseln und Handtücher nicht zu teilen. Bei Mangelzuständen sollten die Werte nach Substitution kontrolliert werden. Eine angepasste Mundhygiene, regelmäßige professionelle Zahnreinigung und das Management von Mundtrockenheit verringern Rückfälle. Wenn eine systemische Grunderkrankung mitbeteiligt ist, ist die koordinierte Betreuung mit Hausarzt, Dermatologie, Gastroenterologie oder Rheumatologie hilfreich.
Prävention
Vorbeugend wirken eine sanfte, konsequente Mundhygiene, SLS-freie Zahnpasten, alkoholfreie Mundspüllösungen und das Meiden individueller Reizstoffe. Ausgewogene Ernährung mit ausreichender Zufuhr von Eisen, B-Vitaminen und Folsäure unterstützt die Schleimhautgesundheit. Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum sollten vermieden werden. Eine gute Prothesenhygiene mit täglicher Reinigung, nächtlichem Herausnehmen und regelmäßigen Passformkontrollen beugt prothetischer Stomatitis vor. Stressmanagement, ausreichender Schlaf und Entspannungstechniken können bei zu Aften neigenden Personen die Häufigkeit reduzieren. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Behandlung von Mundtrockenheit senken das Risiko für Verletzungen und Infektionen.
Wann zum Arzt oder Zahnarzt?
Eine fachliche Abklärung ist sinnvoll, wenn die Beschwerden länger als zwei Wochen anhalten, sehr häufig wiederkehren (zum Beispiel mehr als drei bis vier Episoden pro Jahr), besonders schmerzhaft sind oder wenn Begleitsymptome wie Fieber, ausgeprägte Abgeschlagenheit, Schluckbeschwerden, vermehrte Speichelbildung mit drohendem Flüssigkeitsmangel, vergrößerte Lymphknoten oder Hautausschlag auftreten. Dringend ist eine Vorstellung bei sehr großen, ausgedehnten oder blutenden Läsionen, bei rasch zunehmender Schwellung, bei Anzeichen einer schweren allergischen Reaktion, bei Augenbeteiligung (Sehstörungen, Schmerzen) oder bei Verdacht auf schwere Haut-Schleimhaut-Reaktionen wie Erythema multiforme major oder Stevens-Johnson-Syndrom. Menschen mit geschwächtem Immunsystem, mit Diabetes, in Schwangerschaft oder unter onkologischen Therapien sollten bei Schleimhautveränderungen frühzeitig Kontakt aufnehmen. Säuglinge und Kleinkinder mit Trinkverweigerung, hohem Fieber oder Teilnahmslosigkeit gehören zeitnah in ärztliche Betreuung.
Unser Tipp
Aussicht und Prognose
In den meisten Fällen heilt eine Stomatitis innerhalb von sieben bis vierzehn Tagen folgenlos ab, insbesondere wenn Auslöser gemieden und Beschwerden angemessen behandelt werden. Wiederkehrende Formen lassen sich durch gezielte Maßnahmen deutlich reduzieren. Bei chronischen oder systemischen Ursachen ist eine längerfristige Betreuung wichtig, um Beschwerden zu kontrollieren und Komplikationen zu vermeiden. Mit einer sorgfältigen Diagnose, ursachenorientierten Therapie und guter Mundpflege haben Betroffene in der Regel eine sehr gute Prognose und können die Lebensqualität im Alltag rasch zurückgewinnen.