Abrasion – Der mechanische Zahnabrieb
Abrasion bezeichnet in der Zahnmedizin den Verlust von Zahnhartsubstanz durch mechanische Abnutzung. Im Gegensatz zu anderen Formen des Zahnsubstanzverlusts, bei denen Säuren oder Bakterien die Hauptrolle spielen, entsteht die Abrasion durch rein physikalische Einwirkungen. Es handelt sich um einen Verschleißprozess, der im Laufe des Lebens jeden Menschen in gewissem Maße betrifft, jedoch bei ungünstigen Bedingungen krankhaft verstärkt sein kann.
Eine natürliche, physiologische Abnutzung der Zähne ist normal und unvermeidlich. Beim Kauen, Beißen und auch beim Kontakt der Zähne miteinander kommt es zu minimalen Abriebspuren. Diese natürliche Abnutzung verläuft langsam und gleichmäßig und stellt in der Regel kein Problem dar. Problematisch wird die Abrasion erst dann, wenn sie beschleunigt abläuft oder ungleichmäßig verteilt ist, sodass die Zähne vorzeitig Substanz verlieren, empfindlich werden oder ihre Form und Funktion beeinträchtigt werden.
Die Abrasion betrifft zunächst den Zahnschmelz, die äußerste und härteste Schicht des Zahnes. Bei fortschreitender Abnutzung kann jedoch auch das darunter liegende Zahnbein, das Dentin, freigelegt werden. Da das Dentin weicher ist als Zahnschmelz und feine Kanälchen enthält, die mit dem Zahnnerv in Verbindung stehen, führt dessen Freilegung häufig zu erhöhter Schmerzempfindlichkeit.
Ursachen der Abrasion
Die Ursachen für eine verstärkte Abrasion sind vielfältig und oft ist es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, das zu einem beschleunigten Zahnabrieb führt.
Eine der Hauptursachen ist das Zähneknirschen und Aufeinanderpressen der Zähne, medizinisch Bruxismus genannt. Viele Menschen knirschen nachts unbewusst mit den Zähnen oder pressen sie fest aufeinander, oft bedingt durch Stress, psychische Anspannung oder Schlafstörungen. Beim Bruxismus können enorme Kräfte auf die Zähne wirken, die ein Vielfaches der normalen Kaukräfte betragen. Diese Kräfte können bis zu 800 Newton erreichen und über Stunden hinweg auf die Zahnsubstanz einwirken. Dadurch werden die Kauflächen der Backenzähne und die Schneidekanten der Frontzähne regelrecht abgeschliffen.
Auch Zahnfehlstellungen können zur Abrasion beitragen. Wenn Zähne nicht richtig zueinander stehen, entstehen beim Kauen und bei Kieferbewegungen ungünstige Kontaktpunkte mit erhöhtem Druck auf einzelne Zahnbereiche. Diese Stellen nutzen sich dann schneller ab als andere. Besonders ausgeprägt ist dies bei Schiefständen, Lücken oder einem fehlerhaften Zusammenbiss von Ober- und Unterkiefer.
Die Art und Weise, wie die Zähne geputzt werden, spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Eine falsche Putztechnik kann zur sogenannten Putzabrasion führen. Besonders gefährdet sind die Zahnhälse, also der Übergangsbereich zwischen Zahnkrone und Zahnwurzel. Wenn mit zu viel Druck, mit einer zu harten Zahnbürste oder mit einer zu abrasiven Zahnpasta geputzt wird, kann der Zahnschmelz mechanisch abgetragen werden. Ungünstige Putzbewegungen, etwa ein kräftiges horizontales Schrubben, verstärken diesen Effekt. Besonders problematisch ist es, wenn unmittelbar nach dem Genuss von säurehaltigen Lebensmitteln geputzt wird, da die Säure den Zahnschmelz vorübergehend aufweicht und ihn anfälliger für mechanischen Abrieb macht.
Die Ernährung kann ebenfalls eine Rolle spielen. Sehr harte Nahrungsmittel oder das häufige Kauen auf harten Gegenständen wie Eiswürfeln, Nussschalen oder harten Süßigkeiten können zu mechanischer Abnutzung führen. In früheren Zeiten, als die Nahrung häufig mit kleinen Steinchen oder Sand verunreinigt war, kam es zu einer spezifischen Form der Abrasion, die als Demastikation bezeichnet wird. Heute ist dies in entwickelten Ländern selten, kann aber bei bestimmten Berufen, in denen Staub oder abrasive Partikel eingeatmet werden, noch eine Rolle spielen.
Auch schlecht angepasster Zahnersatz, etwa Kronen oder Füllungen mit Störkontakten, kann zu lokaler Überlastung und verstärkter Abrasion führen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Abrasion, da der Zahnschmelz im Laufe des Lebens dünner wird und die Zähne bereits eine lange Belastungsgeschichte haben.
Symptome der Abrasion
Die Symptome der Abrasion entwickeln sich in der Regel schleichend und werden anfangs oft nicht bemerkt. Zu den ersten Anzeichen gehört eine erhöhte Temperaturempfindlichkeit. Wenn der schützende Zahnschmelz durch Abrieb verloren geht und das darunterliegende Dentin freiliegt, reagieren die Zähne empfindlich auf kalte, heiße, süße oder saure Reize. Ein typisches Beispiel ist der stechende Schmerz beim Trinken von kaltem Wasser oder beim Essen von Eis.
Im weiteren Verlauf können sichtbare Veränderungen an den Zähnen auftreten. Die Schneidekanten der Frontzähne werden kürzer und flacher, die Kauflächen der Backenzähne erscheinen abgeflacht. Bei den Frontzähnen kann dies dazu führen, dass sie verkürzt wirken und das Lächeln verändert aussieht. Manche Patienten bemerken, dass ihre Zähne durchscheinender oder gelblicher wirken, da mit dem Verlust des weißlichen Zahnschmelzes das darunter liegende, eher gelbliche Dentin sichtbar wird.
Bei fortgeschrittener Abrasion können Risse oder Absplitterungen im Zahnschmelz entstehen. In schweren Fällen kann es zu Veränderungen der Bisshöhe kommen, das heißt, der Abstand zwischen Ober- und Unterkiefer verringert sich, weil die Zähne an Höhe verlieren. Dies kann zu Problemen beim Kauen führen und die Kiefergelenke belasten. Manche Patienten entwickeln Beschwerden im Kiefergelenk, Kopfschmerzen, Verspannungen der Kaumuskulatur oder sogar Ohrgeräusche. Diese Beschwerden werden unter dem Begriff kraniomandibuläre Dysfunktion zusammengefasst und können eine Folge des gestörten Zusammenbisses sein.
In extremen Fällen kann die Abrasion so weit fortschreiten, dass die Zahnpulpa, das Zahnmark mit den Nerven und Blutgefäßen, gefährdet wird. Wenn die schützenden Schichten zu dünn werden, kann es zu Entzündungen oder Schmerzen kommen.
Diagnose der Abrasion
Die Diagnose erfolgt durch die zahnärztliche Untersuchung. Der Zahnarzt inspiziert die Zähne sorgfältig und achtet auf typische Abnutzungsmuster. Flache, glänzende Flächen auf den Kauflächen oder Schneidekanten, keilförmige Defekte an den Zahnhälsen oder verkürzte Zähne sind charakteristische Befunde. Durch Abtasten und vorsichtiges Beklopfen der Zähne sowie durch Tests mit Kälte oder Wärme kann die Empfindlichkeit überprüft werden.
Röntgenaufnahmen können helfen, das Ausmaß des Substanzverlusts zu beurteilen und zu prüfen, ob bereits das Zahnmark betroffen ist oder ob andere Zahnprobleme vorliegen. In manchen Fällen fertigt der Zahnarzt Gipsmodelle der Zähne an, um Veränderungen im Verlauf dokumentieren zu können.
Ein wichtiger Teil der Diagnose ist die Ursachenforschung. Der Zahnarzt wird fragen, ob der Patient mit den Zähnen knirscht, wie die Zähne geputzt werden, welche Zahnbürste und Zahnpasta verwendet werden und ob bestimmte Ernährungsgewohnheiten vorliegen. Diese Informationen sind entscheidend, um die richtige Therapie zu planen.
Behandlung der Abrasion
Die Behandlung der Abrasion richtet sich nach dem Schweregrad und der Ursache. Grundsätzlich gilt: Je früher eine Abrasion erkannt wird, desto einfacher ist die Behandlung.
Bei leichten Formen kann es ausreichen, die Ursache zu beseitigen und den weiteren Abrieb zu verhindern. Wenn die Abrasion durch falsche Putztechnik verursacht wurde, wird der Zahnarzt die richtige Zahnpflegetechnik demonstrieren und zu einer weichen Zahnbürste sowie einer Zahnpasta mit niedrigem Abrasivitätswert raten. Der sogenannte RDA-Wert gibt an, wie stark eine Zahnpasta die Zahnhartsubstanz abreiben kann. Zahnpasten mit einem RDA-Wert unter 70 gelten als schonend.
Bei empfindlichen Zähnen können spezielle Versiegelungen oder Fluoridlacke aufgetragen werden, die die Zahnoberfläche stärken und die offenen Dentinkanälchen verschließen, wodurch die Schmerzempfindlichkeit reduziert wird.
Wenn Bruxismus die Ursache ist, ist die Anfertigung einer Aufbissschiene sinnvoll. Diese individuell angepasste Kunststoffschiene wird nachts getragen und verhindert, dass die Zähne direkt aufeinander reiben. Sie schützt die Zahnhartsubstanz und entlastet zudem die Kiefergelenke und die Kaumuskulatur. Zusätzlich können Entspannungstechniken, Stressmanagement oder in manchen Fällen auch psychotherapeutische Maßnahmen helfen, das Zähneknirschen zu reduzieren.
Bei fortgeschrittener Abrasion mit deutlichem Substanzverlust sind restaurative Maßnahmen erforderlich. Kleinere Defekte können mit Kompositfüllungen, einem zahnfarbenen Kunststoffmaterial, aufgebaut werden. Bei größeren Defekten oder wenn mehrere Zähne betroffen sind, kommen Verblendschalen, sogenannte Veneers, oder Kronen zum Einsatz. Diese Restaurationen dienen nicht nur der Ästhetik, sondern stellen auch die Kaufunktion wieder her und schützen die verbliebene Zahnsubstanz.
In sehr schweren Fällen, wenn die Bisshöhe deutlich verloren gegangen ist, kann eine umfassende Rehabilitation des gesamten Gebisses notwendig sein. Dabei wird die ursprüngliche Bisshöhe durch Zahnersatz wiederhergestellt, um die Funktion des Kauorgans und die Gesichtsproportionen zu normalisieren. Solche Behandlungen sind aufwendig und erfordern eine sorgfältige Planung.
Vorbeugung
Die beste Strategie gegen Abrasion ist die Vorbeugung. Eine zahnschonende Putztechnik ist das Fundament der Prävention. Es sollte eine weiche Zahnbürste verwendet werden, und die Zähne sollten mit sanften, kreisenden oder rüttelnden Bewegungen geputzt werden. Horizontales Schrubben mit Druck ist zu vermeiden. Nach dem Genuss von säurehaltigen Speisen oder Getränken sollte mindestens eine halbe Stunde mit dem Zähneputzen gewartet werden, damit der Speichel den Zahnschmelz wieder härten kann.
Die Auswahl einer geeigneten Zahnpasta ist wichtig. Zahnpasten mit niedrigem RDA-Wert sind schonender. Auch der Verzicht auf übermäßig abrasive Zahnreinigungsprodukte trägt zum Zahnerhalt bei.
Wer unter Bruxismus leidet, sollte dies zahnärztlich abklären lassen und gegebenenfalls eine Aufbissschiene tragen. Stressreduktion, ausreichend Schlaf und Entspannungsübungen können helfen, das Zähneknirschen zu verringern.
Unser Tipp
Regelmäßige zahnärztliche Kontrolluntersuchungen ermöglichen es, beginnende Abrasionen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern, bevor größere Schäden entstehen. Auch professionelle Zahnreinigungen tragen zur Zahngesundheit bei und bieten Gelegenheit, die Putztechnik zu überprüfen und zu verbessern.
Eine ausgewogene Ernährung, die die Zähne nicht übermäßig belastet, und der Verzicht auf das Kauen harter Gegenstände schützen ebenfalls vor mechanischem Abrieb.